Pilzfotografie – von der Aufnahme bis zum Bild
Pilze fotografieren – über mein fotografisches Langzeitprojekt «Magische Pilze» und wie es meine Bildsprache geprägt hat
Pilzfotografie – Zugang zu einer verborgenen Welt
Die Pilzfotografie erschliesst eine stille Welt – zwischen Licht und Schatten, Struktur und Farbe. Wer mit der Kamera in den Wald eintaucht, entdeckt mehr als nur Pilze: Er begegnet einer verborgenen Dimension der Natur.
Pilze – plötzlich stehen sie da! Kleine, grosse, dicke und dünne. Allein, zu zweit oder – als hätten sie sich abgesprochen – in ganzen Gruppen. Wer sie durch den Sucher betrachtet, spürt einen Zauber, der sich kaum beschreiben lässt. Fast scheint es, als würden Pilze miteinander sprechen.
Mit diesem Beitrag möchte ich euch in die Welt der Pilzfotografie entführen und zeigen, wie sich durch fotografisches Beobachten neue Perspektiven eröffnen. Die Kamera wird dabei zum Werkzeug der Entdeckung – zur Brücke zwischen Naturerlebnis und Bildgestaltung.
Das Fotografieren von Pilzen hat mich auch in anderen fotografischen Bereichen weitergebracht – in der Arbeit mit Licht und Farbe, Komposition und der Entwicklung von Bildsprache und Bildstil.
Pilze in der nahen Umgebung
Wir leben in einer hektischen Zeit. Viele Menschen verbringen einen Grossteil ihrer Freizeit vor dem Bildschirm ihres Mobiltelefons, reisen im Urlaub um die ganze Welt – und kennen die versteckten Wunder in der nächsten Umgebung nicht mehr.
Besonders aufgefallen ist mir das anhand von Reaktionen zahlreicher Mitmenschen auf meine Pilzaufnahmen. Viele konnten nicht glauben, dass man in «unserem» in 15 Minuten zu Fuss erreichbaren Wald nahe von Basel solche Pilze finden kann. Und nicht wenige haben in ihrem Leben noch nie einen Fliegenpilz gesehen! Für mich fast unvorstellbar, haben wir in der Schweiz doch in fast allen Landesteilen Wälder mit idealen Voraussetzungen dafür.
Zum Projekt «Magische Pilze»
So bezeichne ich mein bereits seit dem Jahr 2012 laufende Projekt. Es beschränkt sich geografisch vorwiegend auf die Nordwestschweiz. Die meisten Bilder entstanden auf einer Fläche von nur einem Quadratkilometer, die ich allerdings unzählige Mal abgesucht habe.
Natürlich ist nicht alles magisch in der Welt der Pilze zwischen Entstehen, Verfall und Fäulnis. Auch gibt es verschiedene Motivationen, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, wie z. B. wissenschaftliche und biologische; Pilze haben eine enorme Bedeutung für unsere Ökosysteme.
Mich persönlich fasziniert vorallem der emotionale und märchenhafte Aspekt – die unglaubliche Vielseitigkeit der Pilze, die Stimmungen «im dunklen Wald» und die Erinnerungen und Gefühle, die sie in uns wachrufen. So sehe ich mich als Sammler von zauberhaften Momenten, die im heutigen Zeitalter etwas verloren gegangen sind.
Pilzfotografie – Naturerlebnis und fotografische Herausforderung
Pilze sind dankbare Motive: Der Wind ist kaum ein Problem wie sonst in der Makrofotografie. Und Pilze laufen uns nicht davon! Aber Herausforderungen und Schwierigkeiten gibt es dennoch. Zwar kommt es nur selten vor, dass ein schönes essbares Exemplar von einem eifrigen Pilzsammler direkt vor unserer Linse weggepflückt wird. Aber Pilze muss man erst finden – und sie stehen genau da, wo es kaum Licht, aber Gestrüpp, Morast, Insekten und manchmal auch gefährliche Zecken hat.
Oft braucht es akrobatische Verrenkungen, um die Kamera auf dem Stativ oder auf dem Waldboden zu positionieren und auszurichten. Und es gibt weitere Herausforderungen: die Wahl der richtigen Perspektive, des wirkungsvollsten Ausschnittes und der passenden Schärfentiefe.
Die Kameraausrüstung – nur Mittel zum Zweck
Auch in der Pilzfotografie gilt: Fotografische Fähigkeiten und Geduld sind meiner Meinung nach die entscheidenden Faktoren für gute Bilder. Die Kamera betrachte ich lediglich als Werkzeug, das zur Persönlichkeit des Fotografen passen muss.
In meinem Fall ist das heute die wetterfeste Vollformatkamera Pentax K1 Mark II mit dem Makro-Objektiv Pentax SMC D-FA 100 mm 2.8 WR. Besonders hilfreich ist für mich das schwenkbare Kamera-Display, speziell bei bodennahen Aufnahmen. Bei meinen früher verwendeten APS-C Kameras von Pentax musste ich noch darauf verzichten.
Schlechtes Wetter ist perfekt für die Pilzfotografie!
Für meine Pilzfotografie mag ich direktes Sonnenlicht überhaupt nicht. Dafür aber umso mehr «schlechtes Wetter» – dunkle Wolken, grauer Nebel und leichter Regen sind grossartig! Das gibt mir bei den Aufnahmen viel Gestaltungsspielraum und passt auch eher zu den mystischen und zauberhaften Stimmungen, die ich gezielt suche.
Bei der Arbeit nutze ich nur natürliches Licht – selten in Kombination mit weissen Reflektoren zum dezenten Aufhellen oder Abdunkeln.
RAW-Aufnahmen für optimalen Tonwertumfang
Ich fotografiere immer im RAW-Format mit möglichst tief eingestellter Empfindlichkeit – wenn möglich im Bereich zwischen 100 und 400 ISO. Weil sich dadurch oft lange Belichtungszeiten ergeben, löse ich mit einem Fern- oder Selbstauslöser aus.
Bei der Belichtung achte ich besonders darauf, dass auch die hellen Stellen auf den Pilzköpfen Zeichnung aufweisen. Dass mittlere und dunkle Tonwerte in der unbearbeiteten RAW-Datei zunächst viel zu dunkel erscheinen, nehme ich bewusst in Kauf.
Hochwertige Kameras bieten einen hohen Dynamikumfang. Dadurch lassen sich dunkle Bildbereiche später in Lightroom gezielt aufhellen – ohne sichtbares Rauschen oder Detailverlust. So entsteht ein ausgewogenes Bild, das sowohl die feinen Strukturen im Licht als auch die geheimnisvolle Stimmung im Wald sichtbar macht.
Pilze fotografieren – Vorgehen bei der Aufnahme
Pilze haben - wie die meisten Menschen - vorteilhafte und unvorteilhafte Seiten. Wenn ich mit offenen Blendenstufen arbeite, um den Hintergrund ruhig zu stellen, fokussiere ich auf den vordersten Punkt des Pilzkopfes und nicht auf den Stiel. Nur bei ruhigem Hintergrund und wenn es die Szenerie erfordert, blende ich stärker als auf Blende 11 ab. Dann wähle ich den Fokussierpunkt so, dass eine optimale Tiefenschärfe-Verteilung erreicht wird.
Generell kontrolliere ich heute Ausschnitt, Tonwerte und Schärfe auf dem schwenkbaren Kamera-Monitor. Ich bin der Ansicht, man sollte vermehrt den Mut haben, «nach Gefühl» zu fotografieren – was aller–dings schon etwas Erfahrung erfordert!
Entwicklung von Bildstil und Bildsprache
Kein Bereich der Naturfotografie hat mehr zu meiner fotografischen Entwicklung beigetragen als die Pilzfotografie. Weil zu Beginn ein «roter Faden» in meinen Pilzserien fehlte, begann ich, mich intensiv mit den Themen Bildstil und Bildsprache zu beschäftigen. Ich versuchte mir klar zu werden, welche Interpretationen und Sichtweisen zu meiner Persönlichkeit passen – und welche nicht.
Über die Jahre entwickelte sich daraus eine eigene fotografische Handschrift: eine Bildsprache, die sich in der Art zeigt, wie ich durch den Sucher komponiere – ruhig, zurückhaltend, mit einem stillen Staunen. Und ein Bildstil, der sich in der späteren Bildbearbeitung entfaltet – in ausbalancierten Tonwerten, klaren Farben und einer atmosphärischen Verdichtung.
Wichtig war mir dabei immer: Mein Bildstil soll und darf sichtbar sein, hat sich aber stets dem Motiv unterzuordnen – und nicht umgekehrt. Fotografische Effekte als Selbstzweck sind nicht meine Sache.
Natürlich ist die persönliche Entwicklung von Bildsprache und Bildstil nie abgeschlossen. Es gibt Phasen der Klarheit, aber auch Brüche und Rückschritte – und manches erkennt man erst im Rückblick als Irrweg. Gerade deshalb lohnt es sich für jeden Fotografen, sich mit diesen Themen bewusst auseinanderzusetzen.
Ein schöner Nebeneffekt: Der Blick richtet sich zunehmend auf Bildserien statt auf einzelne Bilder. Man beginnt, in Zusammenhängen zu denken – und widersteht eher der Versuchung, einzelne Aufnahmen übertrieben zu bearbeiten.
Digitale Dunkelkammer – Bildbearbeitung mit Gefühl
Prägend für meinen Bildstil ist vor allem die Bildbearbeitung am Ende des fotografischen Prozesses. Die Möglichkeiten der „Dunkelkammer der digitalen Fotografie“ sind für mich unverzichtbar – nicht als Spielwiese für Effekte, sondern als Mittel zur Verdichtung der Bildstimmung.
Dabei unterscheide ich klar zwischen Interpretation und Manipulation. Im ersten Schritt versuche ich, das Bild so authentisch und natürlich wie möglich zu entwickeln – so, wie ich es gesehen zu haben glaube. Erst im zweiten Schritt bringe ich meinen persönlichen Bildstil ein: durch eine behutsame, schrittweise Bearbeitung von Ausschnitt, Tonwerten, Farbnuancen und Gesamtwirkung.
Diese Bearbeitung darf sichtbar sein, muss sich aber stets dem Motiv unterordnen. Fotografische Effekte als Selbstzweck sind nicht meine Sache – mein Ziel ist ein Bild, das wirkt, ohne laut zu sein.
Bilder aus dem Projekt «Magische Pilze»
Viele weitere Bilder finden Sie in der gleichnamigen Fotogalerie.